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Für einen Moment Flugkapitän Jörg

Im Hospiz auf den Tod warten, dafür ist Jörg nicht der Typ. Sein Körper ist sehr schwach und von der Krankheit gezeichnet. „Ich bin ein Kämpfer, und ich habe noch einen großen Wunsch“, sagt er leise und lächelt dabei. Jörgs Wunsch: Einmal große Flugzeuge starten und landen sehen.

Für die Reise zum Flughafen Berlin Tegel hat er alle Kräfte mobilisiert. Seine beiden Reisebegleiter Karola und David holen ihn an einem Dienstag im August mit dem Brandenburger Wünschewagen vom Hospiz Friedensberg in Lauchhammer ab. An seiner Seite, seine jüngste Tochter Michelle und Hospizbegleiterin Daniela. Nach drei Stunden Fahrt heißt es für alle Ankunft - Flughafen Berlin Tegel. Schon vor dem Tor zum Sicherheitsbereich wartet Patrick Ockens auf seine Gäste. Patrick ist Flugkapitän im Lufthansa-Konzern. Seit 15 Jahren fliegt er seine Passagiere um die Welt und bringt sie an ihre Lieblingsziele. Heute wird er ausschließlich Jörg begleiten und ihm seinen Wunsch erfüllen. Gemeinsam passieren sie den Sicherheitsbereich. „Das ist unsere kleine Unterstützung für euer Projekt, hier kommt ihr schneller durch“, begrüßt ein Flughafenmitarbeiter die Gäste. Peter Oemus, Leiter der Lufthansa-Technik ist ebenfalls zur Stelle. Er hat sich im Vorfeld um alle organisatorischen Dinge und Genehmigungen gekümmert. Alles klappt reibungslos. Freie Fahrt und grünes Licht für Jörg und sein Wünschewagenteam.

Der Wagen rollt über‘ s Feld, vorbei an großen Flugzeugen, zum Hangar der Lufthansa. Hier wird gerade eine Maschine gewartet. Patrick schiebt Jörg im Rollstuhl ganz dicht ans Triebwerk. Jörg strahlt, ist sprachlos und lässt sich ausführlich die Technik erklären. „Haben Sie früher auch am Flughafen gearbeitet“, möchte Patrick von ihm wissen. „Nein, ich bin gelernter KFZ-Schlosser, aber Flugzeuge haben mich schon immer fasziniert“, antwortet Jörg. „Als kleiner Junge habe ich immer Drachen und Flieger gebaut. Den Rosinenbomber finde ich ja auch beeindruckend, aber der steht ja in Tempelhof.“ Der Pilot schaut kurz in seine Flug-App. „In wenigen Minuten landet die Boeing 777 von Qatar Airlines und rollt direkt zu unserem Hangar“, sagt er. Der Flieger kommt aus Doha. Einmal täglich landet er in Tegel. Ein Glücksmoment für Jörg. Er genießt es, wie der Koloss übers Feld rollt. Zeitgleich startet die nächste Maschine. „Es ist schöner, als ich es mir vorgestellt habe. Ich könnte hier stundenlang sitzen und zusehen“, schwärmt Jörg. „Möchten Sie denn mal im Cockpit sitzen“, fragt ihn der Pilot. Jörg schaut ihn ungläubig an. „Ja“, sagt er leise und aufgeregt. Seine Augen blitzen vor Freude. „Ein befreundeter Pilot fliegt gleich nach Split und bevor alle in den Flieger steigen, nehmen wir kurz Platz“, meint Patrick. Nach ein paar kurzen Telefonaten geht es mit dem Wünschewagen zum Rollfeld 18. Hier steht die Eurowings A319 zum Abflug bereit. Zeitgleich kommt die Crew an. Der Kapitän, sein Co-Pilot und die Stewardessen begrüßen Jörg und sein Team freundlich. „Ich bin so aufgeregt“, sagt er. Seine Tochter stützt ihn. Das Treppensteigen kostet ihn sehr viel Kraft, doch Jörg kämpft. „Kommen Sie, setzen Sie sich“, sagt Patrick. Dabei zeigt er im Cockpit auf den Sitz vom Piloten. „Was hier“, fragt Jörg mit einem freudigen Zittern in der Stimme. „Hier sitzt doch der Pilot.“ „Das ist richtig, aber jetzt sitzen Sie erstmal hier, gibt Patrick lächelnd zurück. „So viele Knöpfe, da weiß man doch gar nicht, wo man zuerst drücken soll“, lacht Jörg. „Lasst euch Zeit“, sagt der Pilot der Maschine immer wieder. „Das hier ist für uns auch ein sehr besonderer Moment.“ Die Stewardessen bieten dem Team Kaffee an. Sie unterhalten sich. Alle freuen sich für Jörg. Aus dem Cockpit wieder raus, nimmt Jörg mit seiner Tochter in der ersten Reihe des Fliegers Platz. Schnell noch ein Foto zur Erinnerung und weiter geht’s, denn Jörgs Flughafenbesuch ist an diesem Tag noch nicht zu Ende. „Wir fahren jetzt zum Tower rüber. Von oben haben Sie einen fantastischen Blick über den ganzen Flughafen, “ erklärt Patrick. Jörg ist überwältigt und seine Tochter findet es atemberaubend. „Einfach nur irre, was ihr hier alles organisiert habt. Ich freu mich so für meinen Papi“, strahlt Michelle.

„Es ist unbeschreiblich, wie er den Tag mit relativ wenig Symptomen erlebt hat. Für einen Moment hat er den Tag sorgenfrei genießen können. Man sieht mal, was so ein Tag mit Menschen machen kann. Man gewinnt nur.“, freut sich auch Hospizbegleiterin Daniela. Die vielen Stufen rauf zum Tower und wieder runter haben Jörg unwahrscheinlich viel Kraft gekostet. „Ich bin platt“, sagt er erschöpft und glücklich zugleich. „Aber der Ausblick war spitze.“ Jörg legt sich auf die Trage. Zum Abschluss seiner ganz persönlichen Flughafentour fahren alle gemeinsam zur Nordbahn. Hier am nördlichsten Zipfel des Flughafens sieht er die Flieger beim Landeanflug aus nächster Nähe. Für einen Moment sind die Maschinen über ihn zum Greifen nah.

Nach zwei Stunden treten Jörg und sein Team die Heimreise an. „Dass der Pilot das alles mitgemacht hat, ist unglaublich. Ich bin ihm unendlich dankbar. Eigentlich wollte ich im Cockpit bleiben und ab nach Kanada“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. Jörg fängt an zu singen: „Komm mit mir nach Kanada, da werden deine Träume wahr.“ An diesem Dienstag musste es nicht Kanada sein.

Das Brandenburger Wünschewagenteam dankt allen Mitarbeitern des Flughafens Berlin Tegel, die uns vor und während Jörgs Wunschfahrt mit ihrer großartigen Hilfe zur Seite standen.